Henry’s Weihnachtsgeschichte

Eine Weihnachtsgeschichte

Es war einmal…

… ein kleiner Junge namens Henry. Einige Wochen vor Weihnachten baten ihn seine Eltern, einen Wunschzettel zu schreiben. Das fiel ihm dieses Jahr gar nicht leicht. Letztes Jahr wusste er sofort, was notiert werden sollte: Lego, Puzzles, den neuesten Band seiner Lieblingsbücher—Reihe… Doch dieses Jahr konnte er die Spielzeugkataloge noch so lange durchblättern, nichts darin konnte ihn begeistern. Überhaupt war er dieses Mal noch gar nicht so recht in Weihnachtsstimmung. Schließlich setzte er sich seufzend an seinen Schreibtisch, nahm ein Blatt Papier und seine Hände begannen, wie von selbst zu schreiben:

Liebes Christkind oder lieber Weihnachtsmann,

heute schreibe ich dir einen Wunschzettel, obwohl ich nicht so recht daran glaube, dass mir diese Gaben gebracht werden können.

Ich wünsche mir Freunde! Es müssen nicht viele sein, ein bis zwei würden mir schon reichen. Welche, die mir auch bleiben, denen ich wichtig bin.

Ich wünsche mir Ruhe. Ich möchte nicht mehr ständig so aufgeregt sein. Nicht mehr ständig dieses komische Gefühl im Bauch haben. Und all diese Gedanken, die so laut in meinem Kopf sind.

Ich wünsche mir Ordnung und Sicherheit. Die Welt ist so chaotisch, alles verändert sich ständig, das macht mich nervös. Ich möchte mich doch darauf einstellen können, was auf mich zu kommt!

Liebe Grüße,
dein Henry

Er steckte den Wunschzettel in einen Briefumschlag und gab ihn seinem Papa, damit dieser ihn zur Post bringen konnte.

Als er abends ins Bett ging, fühlte er sich gut. Das Schreiben des Wunschzettels hatte sein Herz leichter gemacht. Und auch die Blicke seiner Eltern, als sie ihm Gute Nacht sagten, erschienen ihm heute noch wärmer und liebevoller.

Einige Tage vergingen, da kam Henry von der Schule nach Hause. Seine Mutter stand beschäftigt in der Küche und küsste ihn flüchtig auf die Stirn. Ganz nebenbei sagte sie: „Henry, für dich kam Post! Nimm dir Zeit, ich brauch hier noch ne Weile.“

Post? Für ihn? Verwundert nahm er den an ihn adressierten Briefumschlag und schlurfte in sein Zimmer. Neugierig öffnete er den Brief und las:

Lieber Henry,

vielen Dank für deinen Brief. Er hat mich sehr berührt, denn ich habe beim Lesen gemerkt, dass er von Herzen kam. Nun habe ich mir Zeit genommen um ihn dir zu beantworten:

Du sagst, du wünscht dir Freunde, die bei dir bleiben. Daraus lese ich, dass du schon Freunde hattest, die nicht bei dir blieben. Henry, die Menschen sind verschieden. Es gibt diejenigen, die, wie du, eine tiefe, beständige Freundschaft suchen, und Menschen, die viele verschiedene brauchen. Und von allen kannst du etwas lernen. Freue dich über Kinder, die deinen Weg begleiten. Und sei nicht traurig, wenn sie weiterziehen. Sei dir selbst ein Freund und anderen der Freund, den du suchst. Die wertvollsten Menschen kommen meist unerwartet in dein Leben. Du musst nicht den anderen wichtig sein um wichtig zu sein. Das bist du von ganz alleine.

Du wünscht dir Ruhe. Henry, diese Ruhe hast du schon. Tief in dir drinnen. Du musst sie nur finden. Sicherlich hast du sie gespürt, nachdem du deinen Wunschzettel geschrieben hattest? Wenn dich die Unruhe übermannt, dann sprich oder schreibe darüber. Alles sortiert sich neu, alles wird klarer. Und wenn du die Ruhe in dir drinnen nicht finden kannst, dann mach eine Pause.

Du wünscht dir Ordnung und Sicherheit. Auch diese Geschenke brauche ich dir nicht unter den Weihnachtsbaum zu legen. Denn du hast sie bereits. Das Leben erscheint dir manchmal bedrohlich verwirrend, unbeständig und chaotisch. Und das mag es auch sein. Ordnung und Sicherheit findet du in dir. Die Welt ist das, was du für dich daraus machst. Sei dir sicher, dass alles in Ordnung geht. Manche Dinge ändern sich. Manche bleiben gleich. Du wirst geliebt, du wirst begleitet und du hast Schutz. Du bist in Sicherheit.

Du bist ein toller Junge!
Herzlichst,
XXX

Henry legte den Brief beiseite und dachte nach. Dann weinte er. Noch einmal las er die Zeilen. Er putzte sich die Nase und ging in die Küche zu seiner Mama. Und lies sich von ihr wortlos umarmen. Und spürte: Sicherheit und Ordnung. Ruhe zog in sein Herz. Es fühlte sich so richtig an.

Schließlich war Heilig Abend. Die Zeit zog sich wie Kaugummi, doch endlich wurde das Wohnzimmer gestürmt. Unter dem Weihnachtsbaum lagen einige Geschenke für den Jungen. Drei davon in goldenem Glitzer-Papier. Neugierig packte Henry das erste aus:

Es war ein Spiegel. Ein gerahmter Spiegel. Auf dem Rahmen stand in dicken Buchstaben: „Superfühlkraftheld“. Auf dem kleinen Zettelchen, das mit dabei lag las Henry: „Vergiss nie, wie wertvoll du bist!“

Das zweite Päckchen war quadratisch. Es entpuppte sich als Tagebuch. Auch hier lag eine Botschaft dabei: „Wenn dir deine Gedanken zu laut werden, dann schreibe sie auf. Du wirst sehen, auf Papier sind sie leiser.“

Nun blieb nur noch ein gold-glitzerndes Geschenk übrig. Es war klein und erschien zunächst etwas klumpig. Neugierig zupfte Henry am Band. Schnell konnte er erkennen, was es war: Ein Schlüsselanhänger. Erst bei genauerem Untersuchen merkte er, dass man diesen auseinanderklappen konnte. Papa klärte ihn auf: „Das ist ein Amulett“. Im Inneren des Geschenkes war ein Foto. Henry kannte das Foto, es wurde im letzten Sommer aufgenommen. Papa, Mama, seine Schwester Johanna und er selbst grinsten fröhlich in die Kamera. Wie die anderen beiden Geschenke, kam auch das Amulett nicht ohne „Gebrauchsanweisung“. Henry las: „Egal, was draußen ist, vergiss nie, dass es einen Ort der Sicherheit und Ordnung gibt, den du stets mit dir trägst: Deine Familie“.

Und obwohl der Junge sich an diesem Abend noch riesig über die DVD, die Armbanduhr und den Kinogutschein freute, die er noch unter dem Baum fand, so war das diesjährige Weihnachten ein ganz besonderes aufgrund der drei goldenen Glitzerpapiergeschenke.

Fröhliche Weihnachten an all euch Superfühlkrafthelden da draußen. Ihr seid nicht allein, ihr seid super und ganz genau die Menschen, die hier gebraucht werden.

Herzlichst
Petra Neumann

henry-weihnachten

Weil die Frage öfter aufkam:
Mehr von Henry und seiner Schwester Johanna kann man nachlesen in den beiden Superfühlkraftbüchern: