Weshalb ich nicht jedem von der Hochsensibilität meiner Kinder erzähle

Erschienen im Onlinemagazin Huffingtonpost

Weshalb ich nicht jedem von der Hochsensibilität meiner Kinder erzähle

Dies klingt zunächst sicherlich erstaunlich. Scheine ich doch von nichts anderem so gerne zu erzählen was Hochsensibilität bedeutet, was sie nicht ist und wie wichtig es es ist, dass die Menschen darüber Bescheid wissen. 

Diese Aufklärungsmission betreibe ich aus tiefstem Herzen und vollster Überzeugung. Ich werde angetrieben durch die Vorstellung, dass es bald keine Kinder und Eltern mehr gibt, die das Gefühl haben, dass etwas mit ihnen nicht stimmt, weil sie mehr spüren, als der vermeintliche Rest der Menschheit. Die ihre Stärke in dem Wissen finden, dass sie ganz wunderbar und völlig in Ordnung sind, da es sich bei dieser Veranlagung eben um eine Veranlagung und nicht um eine Erkrankung, Störung oder gar Behinderung handelt.

Ich wünsche mir, dass Erzieher und Erzieherinnen, Lehr- und anderes Bezugspersonal schon in ihrer Ausbildung von den Eigenheiten hochsensibler Kinder erfahren und diese dann auch als das erkennen, was sie sind: eine Bereicherung für jede Gruppe oder Klasse, die mal etwas Schutz, mal etwas Forderung brauchen.

Eltern und Verwandte sollen voller Vertrauen und Liebe ihren Schützling durch die Hürden und Sonnenzeiten einer hochsensiblen Kindheit begleiten, ohne Zweifel an deren wahren Kern.

Dies und noch viel mehr Aspekte sind die Gründe dafür, dass ich jederzeit gerne parat stehe, wenn es darum geht, Interessierten bei der Wissensbeschaffung zur Hochsensibilität hilfreich zur Seite zu stehen. 

Doch meine feste Überzeugung, und diese resultiert aus meinen eigenen Erfahrungen als ehemaliges hochsensibles Kind und aktuelle Mama zweier Superfühlkrafthelden, ist die folgende: Die Aufklärung bringt all ihre Vorzüge und lebensveränderte Bestärkung am meisten denjenigen, die damit sich selbst erkennen. Zu wissen wer und wie wir sind gibt uns eine völlig neue Stärke, die es überflüssig macht, sich immer und immer wieder selbst zu erklären.

Häufig werde ich gefragt: Wie hast du „es“ den Erzieherinnen und Lehrern deiner Kinder gesagt? Die Antwort: Gar nicht. Wenn ich mit ihnen sprach, sprach ich über mein Kind. Wenn ich Anliegen, Wünsche oder Änderungsvorschläge hatte, dann konnte ich diese konkret benennen. „Lieber Herr XY, meine Tochter nimmt an diesem Ausflug nicht teil. Es täte ihr nicht gut, sie ist noch nicht so weit, dass sie an so etwas Freude hätte.“ 

Selbstverständlich gibt es auch Familien, in denen es gewünscht ist, gezielt an den Einrichtungen ihrer Kinder Aufklärung zu betreiben. Ich schätze, wie so oft im Leben, ist der Erfolg auch hier davon abhängig, in welcher Tonart und in welcher Beziehung dies geschieht. Sicherlich kann es für hochsensible Kinder eine Hilfe sein, wenn eine aufgeschlossene Erzieherin durch freundlich anregende Eltern neues, wichtiges Wissen erlangt. 

Und auch wenn es Sorgen oder Probleme gibt, würde ich, als Mama, je nach Situation in Erwägung ziehen, mein Gegenüber mit dem Thema Hochsensibilität vertraut zu machen. Doch im ganz normalen „Hausgebrauch“, im Alltag mit seinen Stolpersteinchen und unausweichlichen Konfliktsituationen, die jeden betreffen – egal wie sensibel – bin ich keine Verfechterin dafür, sofort mit dem Fähnchen „Hochsensibilität“ zu schwingen. Alleine das Wissen darum hilft mir dabei, meine Kinder zuhause, im vertrauten, privaten Bereich genau da zu stärken, wo sie es brauchen und eben auch da sanft zu schubsen, wo sie letztlich profitieren. Denn am Ende sollen und wollen sie in einer Welt bestehen, in der es hochsensible, normalsensible und weniger sensible Menschen gibt.

Um die so unheimlich wichtige wissenschaftliche, greifbare Souveränität des Phänomens „Hochsensibilität“ zu erhalten und zu fördern, müssen gerade wir Eltern vorsichtig damit sein, den Begriff nicht über Gebühr zu strapazieren. „Ich bin Anna, das ist mein Sohn Tom, er ist hochsensibel.“ ist ein ebenso abstrakter Vorstellungssatz wie „Ich bin Tina, dies ist meine Tochter Lise, sie ist sehr risikofreudig.“

Meine Kinder sind hochsensibel. Aber sie sind viel mehr als nur das. Sie haben Namen, komplett unterschiedliche Charaktereigenschaften, Gefühlswelten, Hobbys, Talente, Schwächen, Ansichten, Potentiale… Würde ich jedem Lehrer (aus dem Kindergarten sind sie nun beide schon raus) von ihrer Hochsensibilität erzählen, müsste ich auch von all ihren weiteren Wesenszügen erzählen. Damit beraube ich ihn ja der Möglichkeit, sich ein eigenes Bild von meinen Herzenshelden zu machen.