Antworten auf die 6 FAQs zu hochsensiblen Kindern

Erschienen im Onlinemagazin Huffingtonpost

Die FAQs wenn ich von „hochsensiblen Kindern“ rede

Seit ich damit begonnen habe meinen Teil zur Verbreitung des Themas „hochsensible Kinder“ beizutragen erhalte ich unheimlich viele Rückmeldungen. Und sie sind alle – absolut alle – positiv. Denn entweder mein Gegenüber freut sich über die Erkenntnis, findet sich selbst oder seinen Nachwuchs im Thema und hat nun endlich einen Namen für all das, was ihn sich so anders hat fühlen lassen, oder er hat keinen Bezug dazu, nun aber schon mal davon gehört und kann entsprechend reagieren, wenn er ein Superfühlkraftheldenkind trifft. 

Und dann gibt es natürlich auch die kritischen Stimmen. Auch diese haben ihre Berechtigung und sind etwas Tolles. Denn sie bedeuten in erster Linie, dass offensichtlich kein „anders-Gefühl“ vorherrscht. Interessanterweise wiederholen sich die skeptischen Fragen im Groben immer wieder. Einige davon erscheinen aufrichtig nachgehakt, andere wiederum eher ablehnend formuliert. 

Ich verurteile die Ablehnung in keinster Weise, ich kann sie ein Stück weit nachvollziehen. Um ein Verständnis für die Thematik aufzubringen muss man sich mit ihr befassen. Dies tut man jedoch in der Regel nicht, wenn man keinen Bezug dazu hat. In einem anderen Artikel nannte ich dies das „Grünohrflecken-Phänomen“. Würde mir nun überall das Thema „Grüner Fleck hinter dem Ohr“ begegnen, würde ich mir recht schnell denken „Was soll das denn, wieder mal was Neues, das man den Kindern anhängen kann?“. Hätte mein Kind jedoch grüne Flecken hinter dem Ohr, wäre ich begeistert und erleichtert, festzustellen, dass wir keine Aliens sind, sondern es noch viele andere Grünfleckbeohrte gibt! 

Doch egal mit welcher Motivation mir Fragen zum Thema gestellt werden, ich beantworte sie gerne und aufrichtig. Hier nun meine persönlichen Top 6 der frequently asked questions, wenn ich über hochsensible Kinder rede oder schreibe:

1. Och nöö – ist das jetzt so ne neue Mode-Erkrankung?

Nein, ist es nicht. Hochsensibilität ist weder neu, noch Mode und auch eine Erkrankung ist es nicht. Es ist ein neuronal bedingtes Persönlichkeitsmerkmal, das es schon immer gab und auch immer geben wird. Aktuelle Schätzungen gehen von ca. 20 Prozent der Menschen aus. 

2. Wo hast du diese Diagnose her und welche Therapie gibt es? 

Da es sich um keine Erkrankung oder Störung handelt, gibt es weder Diagnose noch Therapie. Die Erkenntnis selbst erlangt man durch Reflexion, Austausch und Information. Als grobe Orientierung kann man auch im Internet, bzw. in Büchern verschiedene Tests finden. Therapien sind pauschal nicht nötig. Sollte es zu einem Leidensdruck kommen, so kann man hier natürlich individuell vorgehen, die Hochsensibilität selbst ist jedoch per se keine behandlungswürdige Erkrankung.

3. Meinst du nicht, das liegt an dir und deinem Erziehungsstil?

Jaein. Die Tatsache, dass von der Erblichkeit dieses Merkmales ausgegangen wird, lässt durchaus den Rückschluss zu, dass es „an mir“ liegt. Ebenso an meinem Mann. Bei jemand anderem vielleicht eher an der Oma? An meinem Erziehungsstil liegt es jedoch nicht. Hochsensibilität ist weder anerzogen, eingebildet, noch die „Schuld“ von irgendwem. Sie ist etwas wunderbares, wenn auch zeitweise herausforderndes. Eine Superfühlkraft. 

4. Vielleicht solltest du konsequenter sein und dein Kind mal abhärten?

Hier müssten wir nun erstmal klären, was genau mit „Abhärtung“ gemeint ist. Abhärtung im Sinne von „ich bringe mein Kind nun häufiger in Situationen, die ihm unerträglich erscheinen, damit es irgendwann kapituliert und nur noch ‚überlebt’, wohlwissend, dass seine Ängste ignoriert werden“ lasse ich hiermit gerne unkommentiert. Reden wir jedoch über „Abhärtung“ mit dem Gedanken an das behutsame Herantasten an Bereiche, die Schritt für Schritt – dem Kind angepasst – erweitert werden, dann ist dies tatsächlich ein guter Weg. Zur Konsequenz lässt sich sagen, dass diese absolut förderlich ist – für jedes Kind (und jeden Erwachsenen). Sie will jedoch vorher gut überlegt sein. Auch Eltern sind Menschen, und wenn sich herausstellt, dass die eingeschlagene Richtung doch nicht optimal ist, ist es sicherlich gesünder, die Fehlentscheidung einzugestehen und ganz inkonsequenterweise einen neuen Weg zu beschreiten. 

5. Kann man Kinder nicht einfach Kind sein lassen? Müssen wir jetzt ne neue Schublade öffnen?

Lange habe ich mich gegen den Begriff „Schublade“ gewehrt. Doch ich muss zugeben: Ich lag falsch. Denn „JA“, dies ist eine neue Schublade. Und ganz offen gestanden sind Schubladen etwas Feines. Denn sie sorgen für Ordnung. Wichtig jedoch ist die Benennung der Schublade. Und wenn wir nun mit der Aufklärung über Hochsensibilität auch nur ein einziges Kind aus der Schublade „Heulsuse“, „Angsthase“, „Mimose“, „Jammerlappen“ usw. umverfrachten in die Schublade „Hochsensibilität“ oder besser noch „Superfühlkraft“, dann bin ich stolz und glücklich über das Schubladensystem. Kinder einfach Kind sein lassen? Absolut! Lassen wir wilde Kinder wild sein! Blonde Kinder blond! Extrovertierte extrovertiert! Schnelle schnell! Langsame langsam! Sensible sensibel! Völlig wertfrei. Das ist großartig!

6. Die Aspekte, die als Charakteristika von hochsensiblen Kindern aufgezählt werden sind so pauschal, da findet sich doch jeder wieder – ist dann etwa jedes Kind hochsensibel?

Diese Frage kann ich gut verstehen. In allen gängigen Tests sind die Formulierungen zum Teil recht grob gestrickt, sodass man einige Kreuzchen setzt, wo es scheinbar jeder tut. Man sollte hierbei jedoch bedenken, dass es nicht um die Anzahl der zutreffenden Merkmale geht, sondern um die Tiefe der Empfindung dabei. Dies macht das standardisieren von Auswertungen auch so schwierig. Ein Etikett im Pulli beispielsweise juckt die meisten Leute im Nacken. Doch während es für die einen ein kleines, kurzes Ärgernis darstellt, ist es für die anderen eine scheinbar unerträgliche Qual, die den ganzen Tag vermiest. 

Jeder dieser Fragen und natürlich auch andere, haben ihre Daseinsberechtigung. Es ist nicht damit zu rechnen, dass immer Jedermann Verständnis für jedes Thema hat, das ist ganz klar. Ich freue mich weiterhin, wenn interessiert und vorurteilsfrei nachgehakt wird. Denn all die Grünfleckohrenkinder profitieren davon, wenn Missverständnisse und Fehleinschätzungen aus der Welt geräumt werden.

Dies ist auch mitunter eine Mission von meinem Heldenbuch „Henry mit den Superkräften“, indem ein hochsensibles Kind aus seinem Alltag erzählt.

Zur Leseprobe: http://www.high-sensitivity.de/heldenbuch-henry-mit-den-superkraeften/